DIETER ROTH
Aus des Kopfes Haus
Aus des Kopfes Haus
sah ich zu den Augen raus.
Da sehe ich mich sitzen auf einer deiner Hand,
um den Hals ein rotes Band.
Der schaut mir in die Augen rein
Aus des Kopfes Haus
sah ich zu den Augen raus.
Da seh ich mich sitzen als Hund auf deiner Hand,
um den Hals ein Band.
Der schaut mir in die Augen rein.
Aus meines Kopfes Haus
sah ich zu den Augen raus.
Da seh ich mich sitzen auf deiner Hand,
mit um den Hals ein rotes Band
und schau mir in die Augen rein
nach 1960
aus: Dieter Roth: Da drinnen vor dem Auge. Lyrik und Prosa. Hrsg. von J. Voss. B. Keusch, J. Ullmaier und B. Roth. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2005
Das vielgestaltige Werk des Dichters, Grafikers, Aktions- und Objektkünstlers Dieter Roth (1930–1998) nahm seine Anfänge im Umfeld von Neo-Dada und konkreter Poesie; es besteht in gezielten Ohrfeigen für alle Freunde des Schönen, Guten und Wahren. Roths destruktive Kraft richtete sich gegen Perfektion, Geschmack, gegen das Gelingen überhaupt. In seiner Kunst verarbeitete der Wahl-Schweizer Bücher zu Würsten und verwendete natürliche Materialien, darunter auch Schimmel. Roth hielt die Welt für misslungen; darauf antwortet seine Dichtung planvoll unsinnig.
„Aus des Kopfes Haus“ setzt die schönen Kinderbilder vom Kopf als einem Haus und den Augen als Fenstern in Sprache um. Ein groteskes Spiel aus wechselnden Perspektiven entsteht. Will hier eine Strophe die nächste korrigieren, verbessern? Das gespaltene Ich sieht sich selbst als kleinen Hund auf der Hand eines Gegenübers; sprachlos starrt man sich an. Das rote Band um den Hals wirkt ungefähr so heiter wie ein Stigma, wie ein Würgemal.
Sabine Peters (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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