EDUARD MÖRIKE
Lebewohl
,Lebe wohl‘ – Du fühltest nicht,
Was es heißt, dies Wort der Schmerzen;
Mit getrostem Angesicht
Sagtest du’s und leichtem Herzen.
Lebe wohl! Ach tausendmal
Hab ich mir es vorgesprochen,
Und in nimmersatter Qual
Mir das Herz damit gebrochen!
1841
„Lebe wohl“ – diese Grußformel des Abschieds muss dem schwermütigen Dichterpfarrer Eduard Mörike (1804–1875) wie ein höhnischer Kommentar auf sein zerquältes Leben erschienen sein. Denn sein ganzes Dasein erlebte er als eine Folge von Verlusten und des Scheiterns von Liebeswünschen. Die frühe Leidenschaft zur schönen „Streunerin“, der faszinierenden Maria Meyer, blieb ebenso unerfüllt wie später die zur Pfarrerstochter Luise Rau. Ein „Wohlleben“ hat sich für ihn nie eingestellt: Was blieb, war die suggestive Klage über den Schmerz des Verlassenwerdens.
In acht Zeilen repetiert Mörike die Abschiedsformel wie eine traurige Litanei. Eine Trennung oder Verabschiedung, so sagt die zweite Strophe, kann eben nie mit „leichtern Herzen“ ausgesprochen werden. Eher ist es ein gebetshaftes Murmeln, mit dessen Hilfe sich das lyrische Ich in einen Zustand höllischer Seelenqual versetzt – als sei es darauf fixiert, die Trauer bis an die Grenze der Selbstzerstörung auszuweiten. Das 1841 erstmals gedruckte Gedicht gehört zu den ergreifendsten Liebesklagen der deutschen Literaturgeschichte.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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