ELFRIEDE CZURDA
ich fürchte nichts mehr als mich
nichts steht mir mehr im weg
nichts legt mich mehr in ketten
nichts lärmt mir mehr im ohr
nichts peilt mir mehr ins hirn
nichts steigt mir mehr in den kopf
nichts lähmt mir mehr den tonus
nichts zähmt mir mehr den mut
nichts nimmt mir mehr die hoffnung
nichts blendet mir mehr die sicht
nichts engt mich mehr ein
nichts.
1995
aus: Elfriede Czurda: UnGlüxreflexe. Strategien Starrsinn Stimmungen Strophen. Literaturverlag Droschl, Graz/Wien 1995
Die 1946 in Oberösterreich geborene Elfriede Czurda folgt in ihren Erzählungen und Gedichten den Traditionen des sprachexperimentellen Schreibens, ausgehend von den formal-analytischen Exerzitien der legendären Wiener Gruppe. Die „poetischen Stellen“ eines literarischen Textes erhebt sie zu „Störfaktoren einer Ordnung“. Ihr sprachskeptischer Vorbehalt gegenüber Ordnungssystemen verbindet sich in ihren Gedichten mit streng-analytischen Formprinzipien.
Das 1995 erstmals publizierte Gedicht formuliert ein deutliches Misstrauensvotum gegen die Zentralinstanz der Subjektivität – das Ich. So gerät das lyrische Subjekt in die paradoxe Situation, sich selbst als größtes Hindernis einer befreiten Existenz aus dem Weg räumen zu wollen. Die harte Reihung von Befunden über die Nichtswürdigkeit des Ich, das als monströse Gewaltmaschine vorgeführt wird, endet lapidar mit der Annihilierung des Selbst: im „nichts“.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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