ELKE ERB
Was über mich erzählt wird
In meinem Schloß brennen fünfundzwanzig Kronleuchter
Und drei Goldfische habe ich in meinem Aquarium schwimmen
Und ich bekomme viertausend Mark für einen Vers
Und arbeite an sechs Zeilen ein Jahr
Und jeden Morgen kann ich mir nach dem ersten Ei auch noch
Ein zweites leisten ganz wie ich will ein Ei oder zwei
1968
aus: Elke Erb: Nachts, halb zwei, zu Hause. Texte aus drei Jahrzehnten. Reclam Verlag Leipzig, Leipzig 1991
Die experimentierfreudigste deutsche Dichterin, die ihr eigenes Werk immer wieder reflektierend und kommentierend auf den Prüfstand stellt, ist sicherlich die 1938 geborene Elke Erb. Seit jeher definiert sie ihr „prozessuales Schreiben“ als eigendynamischen Vorgang, der immer neue Kombinatoriken, sich verzweigende Assoziationen und Vexier-Bilder hervorbringt.
Dieses frühe Gedicht Elke Erbs aus dem Jahr 1963 stammt aus einer Zeit, da sie die Exponenten der sogenannten Sächsischen Dichterschule um Heinz Czechowski (geb. 1935 ), Rainer Kirsch (geb. 1934) und Adolf Endler (geb. 1930) kennengelernt hatte. Hier dominiert jener spielerische, leicht surrealistische Gestus, mit dem ein ungefestigtes Ich sich in der in Bewegung befindlichen Sprachlandschaft zu behaupten sucht. Das exzentrische Dichter-Ich wird hier umschwirrt von einer Wolke aus Gerüchten und märchenhaften Übertreibungen – es reagiert mit Ironie.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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