ELSE LASKER-SCHÜLER
Man muß so müde sein…
Man muß so müde sein wie ich es bin
Es schwindet kühl entzaubert meine Welt aus meinem Sinn
Und es zerrinnen meine Wünsche tief im Herzen.
Gejagt und wüßte auch nicht mehr wohin
Verglimmen in den Winden alle meine Kerzen
und meine Augen werden dünn.
Es bricht mein Leib bevor ich dein noch bin
Dich lasse ich zurück, mein einziger Gewinn
Ein nicht zu teilender
Es teilen sich in dir die Nächte meiner holden Schmerzen.
1944
aus: Else Lasker-Schüler: Werke und Briefe. Bd 1. Jüdischer Verlag, Frankfurt a.M. 1996
Todmüde und wunschlos unglücklich: So verabschiedet sich hier die Dichterin Else Lasker-Schüler (1869–1945) von der Welt. 1933 war die Dichterin aus Berlin in die Schweiz geflohen. Die Tochter eines jüdischen Privatbankiers emigrierte als eine bettelarme und kranke Frau, die von fanatischen Nazis mit einer Metallstange gejagt und verprügelt wurde.
1939 reiste Else Lasker-Schüler weiter nach Jerusalem als ein „Bündel – gelegentlich begeisterten – Elends“, wie später der Literaturhistoriker Heinz Politzer schrieb. Dort entstanden 1944 die Verse, in denen Lasker-Schüler Abschied nimmt – vom Leben und von der Liebe. Die Lebensenergie ist vollständig erloschen, das Stadium des Übergangs vom Rest-Leben in die Dunkelheit erreicht. Zurück bleibt der Geliebte, in dem die Schmerzen der lebensmüden Dichterin nachzittern.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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