ERIKA BURKART
Aus dem Schweigen
Das Wort aus dem Schweigen
hat eine Aura von Sprache,
die ihre Wurzeln
tiefer schickt.
Sein Echoraum Zeit.
Warten, bis es zurückkommt.
Weit ist es gegangen;
unter Tag zum Wasser,
darin sich einer erkennt.
Ein Paßwort.
An Grenzen geprüft
half es weiter.
Der entkam, wird verstanden
an beiden Ufern.
nach 2000
aus: Erika Burkart: Ortlose Nähe. Ammann Verlag, Zürich 2005
Die Vorstellung von einer Einheit zwischen Natur und Ich gehörte anfangs zu den Gewissheiten der Schweizer Schriftstellerin Erika Burkart (1922–2010) Der Mensch sollte an einer mystischen und naturphilosophisch gedachten Ganzheit teilhaben. Burkart, die vor allem als Lyrikerin große Beachtung fand, konnte diese Vorstellung sehr bald nur noch als sehnsuchtsvollen Fluchtpunkt zeichnen. Denn so etwas wie „die ganze Wahrheit“ wird von den Worten weniger gebannt als bedroht.
Diese sprachskeptische Haltung artikuliert sich auch in dem Gedicht „Aus dem Schweigen“. Es geht nicht darum, das Wort zu ergreifen, sondern sich ins Lauschen einzuüben. Um einen numinosen Raum zu erfahren, der Diesseits und Jenseits umschließt, braucht es ein Passwort; eine Art von Obolos, ein Fährgeld für Charon, den Fährmann der Unterwelt. Die Worte werden an Grenzen „geprüft“; aus dieser Einsicht kommt der respektvolle Tonfall. Burkarts Dichtung will Rätselhaftes nicht lösen, sie will es allenfalls behutsam nachbuchstabieren.
Sabine Peters (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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