ERNST JANDL
der unerwünschte
ich geh ja schon
er geht ja schon
er ist ja schon fort
er war garnicht hier
er war ja überhaupt nicht hier
aber hat nicht einer ich gesagt
wer hat denn da ich gesagt
ich hab ich gesagt
da ist er ja immer noch
ich geh ja schon
nach 1982
aus: Ernst Jandl: poetische werke Bd. IX, hrsg. v. Klaus Siblewski, Luchterhand Literaturverlag, München 1997
Bereits in den frühen Lautgedichten, die seinen Ruhm begründeten, war der Dichter Ernst Jandl (1925–2000) alles andere als sozialverträglich, statt dessen zielte er schon früh auf radikale Dissidenz. „ich will nicht sein / so wie ihr mich wollt“, heißt es in einem Gedicht von 1962. Der wachsende Sprachingrimm artikuliert sich in seinem Spätwerk in schonungslosen Beschwörungen des körperlichen Zerfalls und dem Ich-Entwurf als „der unerwünschte“.
Das Ich, das in diesem nach 1982 entstandenen Gedicht seine Existenz zu markieren wagt, scheint der Position des Störenfrieds nicht entkommen zu können. Das Beharren auf radikaler Subjektivität ist offenbar ein Skandal, auf den die Gesellschaft nur durch Ausschließung reagieren kann. Beim späten Jandl ist der „Unerwünschte“ identisch mit der Exzentrität des Dichters.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
Schreibe einen Kommentar