FRANZ HODJAK
0 Uhr Gedicht
stunde, sich an nichts
erinnernd, plötzlich da und
geht nicht mehr. sie verspricht, jetzt
herrscht die ordnung, weder sprache
hin, noch her. und sie schlägt, sich
selbst verkündend, in dein fragendes
gesicht. und zerschlägt sich selbst
in silben, mit dem eigenen
gewicht. alles schlägt sie kurz
und klein, und dann geht
sie, leise grüßend, hinter mir
dein sintflutreim.
nach 1990
aus: Franz Hodjak: Landverlust. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1993
Der „Landverlust“, das Weggehen aus seiner siebenbürgischen Heimat hat sich in viele Gedichte und „Sprechgesänge“ des Schriftstellers Franz Hodjak (geb. 1944) eingeschrieben. Drei Jahre nach dem Sturz des Diktators Nicolae Ceauşescu hatte er als einer der letzten rumäniendeutschen Intellektuellen seine Heimat verlassen – und in seinen Gedichten und Prosatexten immer wieder diese Erfahrung von Heimatverlust und Ortlosigkeit thematisiert. Hodjaks bevorzugter Tonfall ist dabei nicht die melancholische Beschwörung, sondern der trockene Sarkasmus.
Mit grotesker Komik reagiert Hodjak auf die ihn bedrängenden Verlusterfahrungen. Im vorliegenden Gedicht, das nach 1990 entstanden ist, schlägt der Autor einen ernsten Ton an. Die Mitternachtsstunde wird zum existenziellen Ausnahmezustand. Nicht nur die Koordinaten des eigenen Weltgefühls, auch die vertraute Struktur der Grammatik kommen dem lyrischen Ich abhanden. Eine gültige Ordnung ist außer Kraft gesetzt, eine neue noch nicht in Sicht.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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