FRANZ HODJAK
Violettes Lied
Komm zurück, geh. Es ist dasselbe.
Beim Morgenschoppen krümmt sich die Elbe.
Wer noch bei Vernunft ist, rührt jetzt im Kaffeesatz,
wo wir sitzen, ein einig Volk als Ersatz
für Mauer, Verhandlungen, Schießbefehl.
Ich bin so weit, bei Laune. Ich quäl
ein Gedicht, bis es spricht. Im toten
Winkel kämpfen die Hunnen und Goten
für eine große Sache. Erhaben winkt Licht
am Ende des Tunnels. Ich seh den toten Vater, er mich nicht.
Goldene Kuppeln, seid nicht so traurig, macht mir Mut.
Die Baustellen, diese Orgeln, na gut.
Also ich geh, morgen ist auch noch ein Tag,
so steht es zumindest im Friedensvertrag.
nach 2005
aus: Franz Hodjak: Die Faszination eines Tages, den es nicht gibt. Verlag Ralf Liebe, Weilerswist 2008
In einem Interview sagte Franz Hodjak, der 1944 in Hermannstadt/Rumänien geboren wurde und das Land 1992 verließ: „Das Heimatgefühl verklärt und verzerrt die Dinge… Ich bin froh, dass ich ein Heimatloser bin,… ich kann mit den Dingen viel gelöster umgehen, viel freier.“ Seine Romane, Gedichte und Erzählungen kreisen immer wieder um die Erfahrung der Fremde, um die Frage nach der brüchigen eigenen Identität.
Violett, diese Mischfarbe aus rot und blau symbolisiert häufig Vermittlung und Gleichgewicht. In Hodjaks Gedicht wird solch ein Gleichgewicht illusionslos, fast gleichgültig betrachtet: Ob einer fortgeht oder zurückgeht, es ist dasselbe. Vergangenheit und Gegenwart vermischen sich wie Krieg und Frieden, wie Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. In nonchalantem, selbstironischen Ton entsteht ein kleines „Selbstporträt des Dichters“. Das lyrische Ich ist sich seiner holprigen und fast zwanghaften, brutalen Reimerei bewusst. Es setzt sie gezielt ein, um die eigene zwiespältige Stimmung darzustellen.
Sabine Peters (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
Schreibe einen Kommentar