Franz Josef Czernins Gedicht „1. Langeweile – 5.9.1982“

FRANZ JOSEF CZERNIN

1. Langeweile – 5.9.1982
(Die Kunst des Sonetts 2. Teil)

nachdem, was gewesen war, was ist,
nach dem ist, was war, was gewesen war, was ist,
ist das, was gewesen ist, was ist, bevor
das, was war, was ist vor dem ist, was ist, was ist.

bevor, was gewesen war, was ist,
vor dem ist, was war, was gewesen war, was ist,
ist das, was gewesen ist, was ist, nachdem
das, was war, was ist, nach dem ist, was ist, was ist.

ist also, während das, was war, was ist,
vor dem ist, was gewesen ist, was ist,
nachdem es gewesen war, was ist,
das, was gewesen war, was ist,
vor dem, was gewesen ist, was ist,
nachdem es das war, was ist?

1982

aus: Franz Josef Czernin: staub. gefässe. Hanser Literaturverlag, München 2008

 

Konnotation

Sein Großprojekt „Die Kunst des Dichtens“ hat der 1952 in Wien geborene Franz Josef Czernin einmal als systematische Erforschung der Dichtkunst beschrieben: „In der kunst des dichtens gehe ich meinem Hang zum Enzyklopädischen und Systematischen nach.“ Czernin, der heute als einer der profiliertesten sprachexperimentellen Dichter mit Wurzeln in der Frühromantik gilt, ist seinem Hang auch mit Sonetten nachgegangen.
Dieses aus dem Umfeld der „Die Kunst des Sonetts“ stammende Gedicht, lässt sich am besten mit Czernins eigenen Worten beschreiben. „Es mag also ein Antrieb für diesen Teil des Projekts gewesen sein zu untersuchen, was geschieht, wenn man auf beinahe alles das verzichtet, was normalerweise auf der Ebene des Begriffs zu angeblich notwendigen Eigenschaften des Lyrischen zählt: also auf alle Begriffe, die Anschaulichkeit konnotieren lassen.“ Für sein „Zeit-Gedicht“ greift Czernin auf Worte zurück, die eigentlich keine Begriffe oder Eigenschaften bezeichnen, sondern Hilfszeitwörter wie „Sein“ und „Werden“.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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