FRIEDERIKE MAYRÖCKER
was brauchst du
was brauchst du? einen Baum ein Haus zu
ermessen wie groß wie klein das Leben als Mensch
wie groß wie klein wenn du aufblickst zur Krone
dich verlierst in grüner üppiger Schönheit
wie groß wie klein bedenkst du wie kurz
dein Leben vergleichst du es mit dem Leben der Bäume
du brauchst einen Baum du brauchst ein Haus
keines für dich allein nur einen Winkel ein Dach
zu sitzen zu denken zu schlafen zu träumen
zu schreiben zu schweigen zu sehen den Freund
die Gestirne das Gras die Blume den Himmel
1995
aus: Friederike Mayröcker: Gesammelte Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2004
„Es geht um das Schreiben… bis zur Erschöpfung“, hat die 1924 geborene Dichterin Friederike Mayröcker in ihren Magischen Blättern einmal notiert. Mit solchen Vorsätzen ist auch der Wunsch der großen österreichischen Dichterin verbunden, „in den Sog jenes Rhythmus zu kommen, der einem wunderbarerweise das Schreiben zum Leben macht und das Leben zum Schreiben“. Auch auf die alten lutheranischen Forderungen nach den Prinzipien des Menschenlebens antwortet sie mit der Utopie der totalen Schreibexistenz.
In ihrer poetischen Daseinsinventur, die dem österreichischen Literaturhistoriker Heinz Lunzer gewidmet ist, gewichtet Mayröcker die Elemente eines erfüllten Lebens sehr unterschiedlich: „Das Haus“ wird zum Schlupfwinkel herabgestuft, dagegen wir die Eigenmacht der in den Bäumen repräsentierten Natur fast andächtig besungen. Das schöpferische Sinnen und Schreiben, wie es in den Reihungen des im Mai/Juni 1995 entstandenen Gedichts beschworen wird – an diesem Traum vom glücklichen Leben hat Friederike Mayröcker bis heute festgehalten.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
So wahr Habe ich auch gerade, ganz profan, vor den anstehenden Renovierungsarbeiten unseres Hauses gespürt, vor denen ich Unterschlupf bei Freunden suchte und merkte, daß mir ein kleines, friedliches Eckchen zum Schlafen und Arbeiten genügen würde. Conny Meinicke Oldenburg i. O.