FRIEDRICH GOTTLIEB KLOPSTOCK
Das Rosenband
Im Frühlingsschatten fand ich Sie;
Da band ich Sie mit Rosenbändern:
Sie fühlt’ es nicht, und schlummerte.
Ich sah Sie an; mein Leben hing
Mit diesem Blick’ an Ihrem Leben:
Ich fühlt’ es wohl, und wußt’ es nicht.
Doch lispelt’ ich Ihr sprachlos zu,
Und rauschte mit den Rosenbändern:
Da wachte Sie vom Schlummer auf.
Sie sah mich an; Ihr Leben hing
Mit diesem Blick’ an meinem Leben
Und um uns ward’s Elysium.
1753
Für die entstehende bürgerliche Öffentlichkeit des späten achtzehnten Jahrhunderts und auch für seine lyrischen Zeitgenossen war der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803) ein Faszinosum. Als Poet verstand er sich nicht nur auf hymnische „Entzückungen“, sondern auch auf elegante erotische Spiele.
Die 1753 entstandene Ode „Das Rosenband“, die als Liebesgedicht auf Klopstocks Verlobte Meta Moller gedeutet werden kann, vergegenwärtigt eine aus den Dichtungen des Rokoko bekannte Situation: Ein von seinen Liebesgefühlen getriebener Kavalier findet die Geliebte in einem schattigen Hain und sucht die ewige Verbindung durch ein „Rosenband“ herzustellen. Anschließend vollzieht sich eine doppelte Belebung: Durch das Blicken, stumme Sprechen und Blumenband-Spiel des jungen Mannes erwacht die Geliebte aus ihrem Schlummer. Die Ich-Du-Begegnung gipfelt im ersehnten Erlebnis des „Elysiums“, des Liebes-Augenblicks.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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