Friedrich Gottlieb Klopstocks Gedicht „Die Sommernacht“

FRIEDRICH GOTTLIEB KLOPSTOCK

Die Sommernacht

Wenn der Schimmer von dem Monde nun herab
     In die Wälder sich ergießt, und Gerüche
          Mit den Düften von der Linde
               In den Kühlungen wehn;

So umschatten mich Gedanken an das Grab
     Der Geliebten, und ich seh in dem Walde
          Nur es dämmern, und es weht mir
               Von der Blüte nicht her.

Ich genoß einst, o ihr Toten, es mit euch!
     Wie umwehten uns der Duft und die Kühlung,
          wie verschönt warst von dem Monde,
               Du o schöne Natur!

1776

 

Konnotation

Kein deutscher Poet hat sich in so selbstbewusster Weise als strenger Formenkünstler und auserwählter Dichter inszeniert wie Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1809), eine Art lyrischer Popstar in der Epoche der Empfindsamkeit. Er legte größten Wert auf die genaue Metrik des Vortrags, so dass auch der ersten, 1771 publizierten Buchausgabe seiner Oden die graphische Struktur der sapphischen Odenstrophe vorangestellt wurde.
Die 1766 entstandene Ode „Die Sommernacht“ zählt zu den berühmtesten Sommergedichten der deutschen Literatur. Das lyrische Subjekt, das in den Gedichten Klopstocks zum erstenmal in der deutschen Poesiegeschichte so mächtig zur Geltung kommt, beklagt den Verlust geliebter Freunde. Selbst die in aller Pracht aufstrahlende Natur und der „Duft“ eines Sommerabends können die Gedanken an die Vergänglichkeit nicht vertreiben.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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