Friedrich von Logaus Gedicht „Des Krieges Buchstaben“

FRIEDRICH VON LOGAU

Des Krieges Buchstaben

Kummer, der das Mark verzehret,
Raub, der Hab und Gut verheeret,
Jammer, der den Sinn verkehret,
Elend, das den Leib beschweret,
Grausamkeit, die Unrecht fähret,
Sind die Frucht, die Krieg gewähret.

um 1650

 

Konnotation

Friedrich von Logau (1604–1655), der Abkömmling eines niederschlesischen Adelsgeschlechts, gilt als der erste zeitkritische Epigrammatiker der deutschen Literatur. Seine scharfe Kritik am moralischen Verfall und der politischen Korrumpiertheit seiner Zeit publizierte er 1638 und 1654 in Gedichtsammlungen, die er unter dem Pseudonym Salomon von Golaw herausgab.
Wie das Namens-Pseudonym Salomon von Golaw verdankt sich auch der um 1650 entstandene Sinnspruch über den Krieg Logaus Lust am anagrammatischen Buchstaben-Spiel: Von oben nach unten gelesen ergeben die Anfangsbuchstaben der ersten fünf Gedichtzeilen das Thema, von dem der Text handelt: „Krieg“. Solche poetischen Verfahrensweisen der Barockdichtung verweisen schon auf die Prozeduren der „experimentellen Literatur“, die erst dreihundert Jahre später das Primat des Sprachspiels entdeckte.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

0:00
0:00