Georg von der Vrings Gedicht „Schwarz“

GEORG VON DER VRING

Schwarz

Nacht ohne dich.
Wer wird mein Herz bewahren?
Der Mond erblich.
Die Vogelwolken fahren.
Vorüberstrich
Ein Schwarm von schwarzen Jahren

nach 1945

aus: Georg von der Vring: Die Gedichte. Langewiesche-Brandt, Ebenhausen 1996

 

Konnotation

Die Eigentümlichkeit des Naturgedichts, so ließe sich traditionalistisch formulieren, macht es relativ unbedenklich für politische Diskurse. Zugleich, das wäre ein kritischer Einwand, lädt es durch seine inhaltliche Naivität zu katastrophalem Missbrauch ein.
Die Stimme eines Verlassenen. Über den Himmel dieses Gedichts ziehen Unheil anzeigende Wolken dahin, wie die Wilde Jagd der Dämonen, die dem deutschen Aberglauben zufolge die Seelen der Verstorbenen Richtung Hölle treibt. Liegt hier ein reines Nachtstück vor? Oder werden die privaten Gespenster des Dichters übermächtig, der Mitglied des 1936 gegründeten Eutiner Dichterkreises war, der sich dem Nationalsozialismus verschrieben hatte? Von der Vring selbst entzog sich in entscheidenden Situationen den Nazis durch unbotmäßiges Verhalten. Das nach 1945 verfasste Gedicht entrückt die Dämonen der jüngeren Vergangenheit in ein unabwendbares Schicksalsgeschehen – die „schwarzen Jahre“.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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