Georg Weerths Gedicht „Das Hungerlied“

GEORG WEERTH

Das Hungerlied

Verehrter Herr und König,
Weißt du die schlimme Geschicht?
Am Montag aßen wir wenig,
Und am Dienstag aßen wir nicht.

Und am Mittwoch mußten wir darben
Und am Donnerstag litten wir Not;
Und ach, am Freitag starben
Wir fast den Hungertod!

Drum laß am Samstag backen
Das Brot, fein säuberlich –
Sonst werden wir sonntags packen
Und fressen, o König, dich!

1846/47

 

Konnotation

Die Biografie Georg Weerths (1822–1856), den Friedrich Engels einmal „den ersten und bedeutendsten Dichter des deutschen Proletariats“ genannt hat, veranschaulicht exemplarisch den Weg der ersten deutschen Revolution von beschleunigter Radikalisierung zur frühen Resignation und Enttäuschung. Weerth begann als unpolitischer Poet, bevor er 1843 als Textilkaufmann in England mit den schlimmen Folgen der industriellen Revolution konfrontiert wurde.
In England lernte er Friedrich Engels und Ludwig Feuerbach kennen und schloss sich der kommunistischen Bewegung an, deren Weltbild er auch in seinen Gedichten propagierte. Nach der Niederlage der Märzrevolution 1848 zog er sich verbittert zurück, vagabundierte als Übersee-Handelsagent durch die Welt und emigrierte schließlich nach Kuba. Sein anrührendes „Hungerlied“, das aus der Anklage des proletarischen Elends die Legitimation für den Aufstand gegen die Obrigkeit gewinnt, ist zwischen 1842 und 1847 entstanden.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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