GÜNTER BRUNO FUCHS
Der Rabe
Der Rabe, der im Schatten ruht,
singt still im Schlaf und träumt Laternenschein
und fliegt zur Nacht hinauf und sammelt Schweigen ein
und lüftet den Zylinderhut
vor Lampenlicht und Totenstein
und vor sich selber, der im Schatten ruht.
1960er Jahre
aus: Günter Bruno Fuchs: Die Ankunft des großen Unordentlichen in einer ordentlichen Zeit, Wagenbach Verlag, Berlin 1978
Der Berliner Dichter, Grafiker und Lebenskünstler Günter Bruno Fuchs (1928–1977), ein „freundlicher, dicker und ironischer Mann“ (Klaus Wagenbach), schrieb in der Art eines modernen Till Eulenspiegel die Poesie der Berliner Eckkneipen und Hinterhöfe; ein „Pennergesang“ von großer Kindlichkeit und kauziger Phantastik. Zu seinen literarischen Wappentieren gehörte auch der Rabe.
Fuchs, der Meister der kleinen Formen, erfindet seinen Raben als Zeremonienmeister, der nur vor sich selbst seine Aufführungen inszeniert – in völliger Abgeschiedenheit seines Refugiums. Der Dichter der Straße hat einen märchenhaften Augenblick eingefangen: Der Rabe ist gleichsam zum monologischen Dichter geworden, der einsam in der Nacht „Schweigen einsammelt“ – und seine Gesänge ohne jedes Publikum nur noch nach innen richtet.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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