GUNTRAM VESPER
Landmeer
Wir dürfen unser
Leben
nicht beschreiben, wie wir es
gelebt haben
sondern müssen es
so leben
wie wir es erzählen werden:
Mitleid
Trauer und Empörung.
nach 1977
aus: Guntram Vesper: Die Inseln im Landmeer, Pfaffenweiler Presse, Pfaffenweiler 1982
Als Sohn eines Landarztes im Jahr 1941 in der sächsischen Kleinstadt Frohburg geboren, kam Guntram Vesper 1957 mit seiner Familie in die Bundesrepublik. Kaum ein Dichter arbeitet so konsequent an der Verbannung jedweder Geschwätzigkeit wie dieser Lakoniker aus der hessischen Provinz. Von manchem Gedicht, so berichtet der Autor, erstelle er bis zu 50 handschriftliche Fassungen, bis es seine endgültige Gestalt erreicht.
„Mitleid, Trauer und Empörung“ sind zuallererst soziale Affekte, mit denen die Menschen auf Verluste, Leiden und Unrecht antworten. Sie bilden für Vesper den Index für die conditio humana. Im rätselhaften Titel des Gedichts, das wohl Ende der 1970er Jahre, in einer durch den Showdown des RAF-Terrorismus geprägten Zeit der politischen Desillusionierungen entstanden ist, wird die Einheit des eigentlich Unvereinbaren aufgerufen: die Vereinigung von Land und Meer.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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