HANS ARNFRID ASTEL
ZWISCHEN den Stühlen
sitzt der Liberale
auf seinem Sessel
1972/73
aus: Hans Arnfrid Astel: Zwischen den Stühlen sitzt der Liberale auf seinem Sessel. Luchterhand Verlag, Darmstadt 1974
In den ideologiekritisch geprägten 1970er Jahren brachte der Dichter Hans Arnfrid Astel (geb. 1933) via Epigramm „Strafzettel für den Rechtsstaat“ in Umlauf und munitionierte mit seinen gesellschaftskritischen Erkenntnisblitzen zu Neutronenbombe und Berufsverbot, CSU und RAF linke Podiumsdiskussionen. Den Höhepunkt dieser politischen Phase markiert das 1974 erschienene Buch Zwischen den Stühlen sitzt der Liberale auf seinem Sessel, das neben dezidiert politischen Epigrammen auch Dokumente zu Gerichtsprozessen enthält, die Astel damals gegen seinen damaligen Arbeitgeber, den Saarländischen Rundfunk, führen musste.
Nach der Revolte von 1968 hat kein politischer Dichter in so komprimierter und prägnanter Form die Selbstwidersprüche des Systemkonformismus zum Ausdruck gebracht wie eben Hans Arnfrid Astel. Die eigentlich für Querdenker und Außenseiter geprägte Redeweise von der unbequemen Lage „zwischen den Stühlen“ wird hier als Privileg einer bräsigen Selbstzufriedenheit dekuvriert. Es ist „der Liberale“, der eine kommode Position einnimmt, sich paradoxerweise aber seiner Widerständigkeit rühmt.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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