HANS-ULRICH TREICHEL
Biographie
Es war nicht Mühsal gewesen,
nicht Plage, es dauerte nicht
neunzig und auch keine siebzig
Jahr, es war nicht köstlich gewesen,
auch nicht von Übel, da war nur
manchmal ein Schmerz in den Adern,
ein Pochen im Schädel, der Himmel
riß nicht auf, der Teppich blieb
von der Sintflut verschont.
1998
aus: Hans-Ulrich Treichel: Gespräch unter Bäumen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2002
Die lyrische Lebensbilanz eines Dichters bedient sich sehr oft eines hohen Tons oder einer anrührenden elegischen Geste. Nichts davon bei dem 1952 in Detmold geborenen Erzähler und Lyriker Hans-Ulrich Treichel: Er setzt diese poetischen Üblichkeiten außer Kraft – mit der ihm eigenen Leichtigkeit, milden Ironie und sanften Melancholie.
Anklänge an die berühmten poetischen Lebensrückblicke von Matthias Claudius („Der Mensch“), Hölderlin („Lebenslauf“) oder Hermann Hesse („Altern“) sind erhalten geblieben. Treichel rückt indes die Dimensionen zurecht. Sein lyrisches Subjekt hat nur Negationen und Dementi zu bieten und überdies nur einen unsensationellen Lebenslauf zu vermelden, nur gewöhnliche Gefühle und moderate Stimmungen. In der frechen Wendung vom Teppich, der von der „Sintflut verschont“ bleibt, wird das Lebensschicksal seines Helden am Ende noch banalisiert.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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