HEINRICH HEINE
Die Heil’gen Drei Könige
Die heil’gen Drei Könige aus Morgenland,
Sie frugen in jedem Städtchen:
„Wo geht der Weg nach Bethlehem,
Ihr lieben Buben und Mädchen?“
Die Jungen und Alten, sie wußten es nicht,
Die Könige zogen weiter,
Sie folgten einem goldenen Stern,
Der leuchtete lieblich und heiter.
Der Stern blieb stehn über Josephs Haus,
Da sind sie hineingegangen;
Das Öchslein brüllte, das Kindlein schrie,
Die Heil’gen Drei Könige sangen.
1827
Die Weihnachtsbotschaft wird in diesem Gedicht Heinrich Heines (1797–1856), das der Dichter in sein Buch der Lieder (1827) aufnahm, ohne jedes Pathos verkündet. Um das Salbungsvolle konventioneller Weihnachtsverse abzuschütteln, wählt Heine einen leicht ironischen Ton und eine spielerische und leicht tänzelnde Versbewegung. Die berühmten drei Könige kommen auch ganz profan „aus Morgenland“ – der Verzicht auf den bestimmten Artikel „dem“ legt nahe, es handle sich um eine gewöhnliche Landesbezeichnung.
Als die sagenhaften Könige ihr Ziel, das Haus Josephs, erreichen, werden nicht wie in der biblischen Erzählung die Schätze (Gold, Weihrauch, Myrrhe) ausgebreitet – sondern ein vielstimmiger Gesang hebt an. Und Heine verwandelt das alles durch seine Lakonik in eine fast slapstickartige Szene, in der „das Öchslein brüllte“ und „das Kindlein schrie“. Gegen diesen Lärm muss sich der Gesang der „heil’gen Könige“ erst einmal behaupten.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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