HEINZ ERHARDT
Das große Los
Wie man’s auch dreht, wie man’s auch nimmt,
das Los ist uns vorausbestimmt.
Wir wissen nicht, was kommt, was geht,
wie man’s auch nimmt, wie man’s auch dreht.
Wie man’s auch dreht und nimmt und zieht,
wir wissen nicht, was uns noch blüht.
Das Große Los blüht uns nicht oft,
wie man’s auch dreht, nimmt, zieht und hofft.
1950er Jahre
aus: Das Große Heinz Erhardt-Buch. Lappan Verlag, Oldenburg 2004
Mit einer Melange aus verballhornter Philosophie, banalisiertem Volkslied und rührendem Kalauer hat Heinz Erhardt (1909–1979) oft bewiesen, dass er mehr ist als nur ein harmloser Komiker und blödelnder Darsteller des menschlichen Ungeschicks. In diesen schönen Achtzeiler hat er neben seine furiose Faxenmacherei heimlich auch das Pathos der Philosophie Martin Heideggers (und dessen „Seinsgeschick“-Gemurmel) eingeschmuggelt.
Der Gedanke der schicksalhaften Vorbestimmtheit des menschlichen Daseins ist ebenso philosophietauglich wie der von der Ungewissheit der Zukunft. Solche schweren Fragen an die letzten Dinge hat Erhardt eingebunden in eine virtuose Reimerei, die mit der systematischen Vertauschung der Verben kokettiert. Am Ende nimmt das Schicksalsgegrübel eine alltagspraktische Wendung: mit dem Hinweis auf das „Große Los“ des Zufallsglücks, das den meisten Sterblichen vorenthalten bleibt.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
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