Helmut Heißenbüttels Gedicht „Das Sagbare sagen“

HELMUT HEISSENBÜTTEL

Das Sagbare sagen

das Sagbare sagen
das Erfahrbare erfahren
das Entscheidbare entscheiden
das Erreichbare erreichen
das Wiederholbare wiederholen
das Beendbare beenden
das nicht Sagbare
das nicht Erfahrbare
das nicht Entscheidbare
das nicht Erreichbare
das nicht Wiederholbare
das nicht Beendbare

das nicht Beendbare nicht beenden

1954/55

aus: Helmut Heißenbüttel: Textbücher 1–6, Klett-Cotta, Stuttgart 1980

 

Konnotation

Ich versuche mich redend an dem zu beteiligen was es zu sagen gibt“: Mit diesem eher unspektakulären Satz hat der Dichter Helmut Heißenbüttel (1922–1996) das Ziel seiner Arbeit beschrieben. Damit war das Programm des traditionsbewussten Experiments umrissen, das Heißenbüttel seit Beginn seiner literarischen Arbeit, dem Gedichtband Kombinationen (1954), verfolgte: Es ging ihm um „Rekapitulationen“ der in der Sprache angelegten Möglichkeiten.
Mit dem für seine Frühphase typischen Reihungs-Stil betreibt Heißenbüttel in seinem 1954/55 entstandenen Gedicht, das in seinem Band Topographien in dichter Nachbarschaft zum Zyklus „Tautologien“ steht, ein sprachliches Exerzitium: Was ist innerhalb der Sprache an Aussagen und Entdeckungen möglich? In seinen „Frankfurter Vorlesungen über Poetik 1963“ verstieg er sich später zur These, dass moderne Literatur „eine Welt aus Sprache (kreiere) und sonst nichts“, die abgelöst sei „von der Realwelt der sinnlichen Erfahrung“.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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