Helmut Kraussers Gedicht „ich will dich mit gefletschten…“

HELMUT KRAUSSER

ich will dich mit gefletschten
zähnen packen und erzwetschgen
möchte deine unterhosen
pfirsichen und aprikosen
will orangen dich, melonen
mandarinen und bewohnen,
datteln dich und kirschen, trauben,
will dir schlaf und atem rauben,
auch zwei ananasse härchen
aus dem feigen stachelbeerchen

ich banane dich so sehr
und du zitronst mich immer mehr

2008

aus: Liederlich!. Die lüsterne Lyrik der Deutschen. Hrsg. von Steffen Jacobs. Eichborn Verlag, Frankfurt a.M. 2008

 

Konnotation

Alle Wege ins Reich der Sinne sind hier mit Südfrüchten gepflastert. Helmut Krausser (geb. 1964), der große realistische Erzähler, der auch als Lyriker für sinnliche Direktheit plädiert, hat in heiter-grotesker Manier ein Liebesgedicht erschaffen, das – in buchstäblichem Sinne – recht saftig daherkommt.
Ein sehr entschlossener Liebhaber ist hier am Werk: Seine wilde Annäherung an die Geliebte vollzieht sich in diversen Formen oraler Aneignung. Poetisch manifestiert sich das durch die Verwandlung der FrüchteNamen in starke Tätigkeitsverben, eine einzige Folge erotischer Handlungen. In den beiden Schlussversen folgt dann noch eine unverhüllte Anspielung auf ein PhallusObjekt und auf genitale Vergnügungen. Im Unterschied zu vielen Texten des Genres versteht es Krausser in diesem 2008 erstmals gedruckten Poem, ein wunderbar wortspielreiches und pathos-freies Liebesgedicht zu konstruieren.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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