Henning Ahrens’ Gedicht „Niemals“

HENNING AHRENS

Niemals

Das letzte Licht ist im Rasen versickert,
ein Wind kommt auf
im Laub der Linden

und lindert das Fieber
meiner Kinder,
die mit dem Aus einer Liebe ringen,
die sie nicht kennen:

Frauen und Männer,
und was einander verbindet, muss enden,
weil keiner vom anderen weiß
und sich ändert
und Kreise sprengt
und das verschwendet,

was nicht mehr ist
und sein kann,

niemals.

2006/2007

aus: Henning Ahrens: Kein Schlaf in Sicht. S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2008

 

Konnotation

Ein Gescheiterter zieht Bilanz nach dem Zusammenbruch seiner Liebe. Heilloser konnte sein Befund kaum ausfallen. Denn der Glaube an die Möglichkeit der Liebe ist dem Ich des Gedichts vollständig abhanden gekommen. Mehr noch: Das Misslingen der innigen liebenden Verbindung wird zum Naturgesetz transformiert. Das Versickern „des letzten Lichts“ korrespondiert mit der Auslöschung jedweder Hoffnung. Zurück bleiben traumatisierte Kinder.
Die letzten drei Zeilen scheinen einen Schlussstrich zu ziehen – mit einer absoluten Negation, der totalen Verwerfung der Liebe. Man darf Ahrens’ Gedicht durchaus als das Ergebnis einer Selbsterkundung lesen. Der Schriftsteller und Übersetzer wurde 1964 im niedersächsischen Peine als Sohn eines Landwirts geboren und kehrte nach Jahren in Kiel und München wieder zurück in die niedersächsische Provinz, auf einen Bauernhof in Handorf unweit von Peine.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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