Herbert Rosendorfers Gedicht „Der Gott, der Eisen wachsen ließ“

HERBERT ROSENDORFER

Der Gott, der Eisen wachsen ließ

Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
war wohl ein Arsch mit Ohren,
der hat im Kopf nur feinen Grieß,
das Hirn schon längst verloren.

Wie lieb dagegen ist der Gott,
der einst schuf Gummibären,
der könnte, Himmelsapperlott,
den andern manches lehren.

2002

aus: Das Gedicht, Zeitschrift für Lyrik, Essay und Kritik, hrsg. v. Anton Leitner, Heft 9

 

Konnotation

Auf dem blutigen Höhepunkt der napoleonischen Kriege hatte der vaterländische Dichter Ernst Moritz Arndt 1812 sein Kampflied „Der Gott, der Eisen wachsen ließ“ verfasst, ein Text, der in seiner martialischen Phantasie davon träumt, mit dem „Franzosenblut“ das „Eisen (zu) röten“. Der 1934 geborene Schriftsteller Herbert Rosendorfer, bis 1997 Richter am Oberlandesgericht in Naumburg, gibt auf Arndts patriotisches Lied eine sarkastische Antwort.
Arndt besang dereinst so pathetisch den „Heldentod“, dass sich auch die Nationalsozialisten seiner chauvinistischen Töne bedienen konnten. Rosendorfer hat dagegen nur noch Spott für „eisenproduzierende“ Götter übrig. Hier wird nicht mehr der Rausch der nationalen Erhebung stimuliert, hier werden gleich drei Mächte entzaubert: Patriotismus, Ehrfurcht und Gottesglaube.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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