Horst Bieneks Gedicht „Klatsch am Sonntagmorgen“

HORST BIENEK

Klatsch am Sonntagmorgen

Wer mit wem?
Die mit dem!
Der mit der?
(Ohne Gewähr)
Sie und er?
Der und er??
Wer ist wer?

Wir mit ihr?
Sie mit dir!
(Am Klavier)
Du mit ihm!
Sie mit him!
Ich und du? Who is who?

1963/64

aus: Die Meisengeige. Zeitgenössische Nonsensverse. Hrsg. von Günter Bruno Fuchs. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1968

 

Konnotation

Als Sohn eines deutschen Vaters und einer polnischen Mutter in Gleiwitz geboren, hat sich Horst Bienek (1930–1990) zeitlebens der literarischen Beschwörung seiner verlorenen oberschlesischen Heimat gewidmet. 1946 war er mit großen Hoffnungen in die damalige Sowjetische Besatzungszone gekommen, wo er 1951 der Theaterklasse Bert Brechts beitrat. Mit 21 Jahren verhaftete man den jungen Sozialisten wegen der Verteilung systemkritischer Flugblätter; Bienek wurde von der russischen Besatzung zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt und musste vier Jahre in einem Lager im Nordural verbringen, bis er durch eine Amnestie frei kam.
Der einstige Assistent Bert Brechts fühlte sich auch nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik den poetischen Verfahren des Meisters verpflichtet. Dass Horst Bienek auch versiert war im filigranen Sprachspiel, das zeigt dieser schöne, um 1964 entstandene Abzählreim über passende und unpassende Konstellationen von Männern und Frauen, ein heiteres Wechselspiel mit diversen Personalpronomina – und mit offenem Ausgang.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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