JAKOB VAN HODDIS
Es fuhr ein Automobil
Es fuhr ein Automobil in den Goldfischteich.
Die Wellen klatschten laut.
Da wurde mir so weh und weich,
Mir und meiner Braut.
Da hab ich sie vor Schreck geliebt
Im feuchten kühlen Grab.
Doch leider kam die Feuerwehr
Und holte uns beide ab.
ca.1912
aus: Jakob van Hoddis: Dichtungen und Briefe, Arche Verlag, Zürich 1987
In seinem epochalen Gedicht „Weltende“ zersprang 1910 die bürgerliche Welt in Scherben: Eisenbahnen und Dachdecker gehen dort „entzwei“. Nur noch vier Jahre blieben danach Jakob van Hoddis (1887–1942), dem als Hans Davidsohn geborenen Sohn eines Berliner Arztes, für seinen melancholisch-ironischen Abgesang auf die moderne Welt; ab 1914 begann seine Odyssee durch diverse Nervenheilanstalten.
Wie viele seiner expressionistischen Dichterkollegen verliebte sich van Hoddis 1912 in die exzentrische Diseuse und Dichterin Emmy Hennings. Das Scheitern nicht nur dieser Beziehung mag sein in dieser Zeit entstandenes Gedicht illustrieren, das im Volksliedton Heinrich Heines gehalten ist und eine groteske von Liebe und Tod wird ironischerweise von der Feuerwehr beendet. Im April 1942 wurde van Hoddis in ein polnisches Vernichtungslager verschleppt und dort im Mai 1942 ermordet.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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