JOHANN GROB
Der Weltreihen
Was ist unser tuhn auff Erden?
An die Welt geboren werden:
Sprach- und ganglos in der wiegen
Sonder eigne hülffe liegen:
Kriechen / lauffen / stehen / sizen /
Hungern / dürsten / frieren / schwizen:
Eitle müh und arbeit tragen:
Sich mit vielen sorgen plagen:
Stets in todsgefahren schweben:
Und zu letst den geist aufgeben:
Wiedrum staub’ und asche werden /
Das ist unser thun auff Erden.
1678
Diese nüchterne, fast fatalistische Bilanz des Menschenlebens ist typisch für die Vergänglichkeits-Philosophie der Barockdichtung. Kaum ein Dichter der Barockzeit hat das Vanitas-Motiv so knapp und prägnant in Poesie verwandelt wie der Schweizer Satiriker und Epigrammatiker Johann Grob (1643–1697). Ganz lakonisch, ohne ornamentale Metaphorik und ohne jedes Pathos inventarisiert er die Mühseligkeit der Existenz. Seine Moralsatiren und Sittensprüche zu den Übelständen des gesellschaftlichen Lebens, die 1678 in der Sammlung Dichterische Versuchgabe erschienen, verfertigte Johann Grob gleichsam im Nebenberuf, unter Rückgriff auf diverse Pseudonyme.
In den Vordergrund stellte er indes seine politische und diplomatische Karriere: Grob war einige Jahre lang Musketier in der Leibgarde des sächsischen Kurfürsten, versuchte sich dann als Leinwandhändler, verstrickte sich in Religionsstreitigkeiten und krönte seinen Aufstieg mit der Berufung zum appenzellischen Gesandten am Kaiserhof in Regensburg.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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