JOHANN WOLFGANG VON GOETHE
Alles Vergängliche
ist nur ein Gleichnis;
das Unzulängliche,
hier wird’s Ereignis;
das Unbeschreibliche,
hier ist’s getan;
das Ewig-Weibliche
zieht uns hinan.
um 1825
Im Schlusschor von Goethes (1749–1832) Faust II-Drama ist das religiöse Credo des Dichters in knappster Form zusammengefasst: die Gleichnishaftigkeit des Daseins. Der Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker (1912–2007) erläutert diese Zeilen im Blick auf Goethes Metamorphose-Gedanken: „Das Vergängliche ist nur ein Gleichnis, denn das Wesen, das in ihm gegenwärtig ist, ist unvergänglich. Aber nur in der Unzulänglichkeit des Vergänglichen ist uns das Wesen gegenwärtig; die Erfüllung unseres Seins ist, dass dieses Unzulängliche Ereignis wird.“
In einer Bemerkung gestand Goethe, dass er „das Ideale unter der weiblichen Form des Weibes konizipiert“ habe. Das Göttliche ist bei ihm ein weibliches Prinzip, auch das Wesen der Liebe ist an das „Ewig Weibliche“ gekoppelt. Einer christlichen Auslegung zufolge ist es am Ende auch die „Himmelskönigin“, aus welcher die Gnade wirkt und an die letztlich Goethes Formel adressiert sei.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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