Johann Wolfgang von Goethes Gedicht „Logenlied“

JOHANN WOLFGANG VON GOETHE

Logenlied

Lasst fahren hin das allzu Flüchtige!
Ihr sucht bei ihm vergebens Rat;
In dem Vergangnen lebt das Tüchtige,
Verewigt sich in schöner Tat.

Und so gewinnt sich das Lebendige
Durch Folg’ aus Folge neue Kraft,
Denn die Gesinnung die beständige
Sie macht allein den Menschen dauerhaft.

So löst sich jene grosse Frage
Nach unserm zweiten Vaterland;
Denn das Beständige der irdschen Tage
Verbürgt uns ewigen Bestand.

1825

 

Konnotation

Schon lange hatte ich einige Veranlassung zu wünschen, dass ich mit zur Gesellschaft der Freimaurer gehören möchte“, schrieb der junge Goethe (1749–1832) im Jahr 1780 an Jakob Freiherr von Fritsch, den so genannten Meister vom Stuhl der Weimarer Freimaurerloge Anna Amalia. Von der Mitgliedschaft bei den Freimaurern erhoffte sich der ehrgeizige Berater des Weimarer Herzogs Carl August den Aufstieg in die höchsten Kreise der Weimarer Gesellschaft. So manches Lagenfest garnierte Goethe mit Gelegenheitsgedichten.
Trotz seines zwischenzeitlichen Rückzugs von der Loge ließ sich Goethe immer wieder zu Festreden, Liedern und Gedichten animieren. So auch anlässlich des 50jährigen Regierungsjubiläums von Herzog Carl August im September 1825. In diesem Zusammenhang entstand das als „Logenlied“ oder „Zwischengesang“ entstandene Poem – ein Plädoyer für die Tugend der Beständigkeit und eine Absage an den Reiz der Tagesaktualität.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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