Karl Krolows Gedicht „Chanson vom Aussteigen“

KARL KROLOW

Chanson vom Aussteigen

Quer durch die Parteien –
ist das schon gleich der Staat?
Die Frage ist dürftig. Die Antwort:
nichts als Kartoffelsalat.

Und Hamburger und Cola,
the American Way of Life?
Irgend’ne rote Lola
ist für die Antwort reif.

Alle besseren Dinge
mit dem besseren Gesicht,
die sanften Konferenzen
ändern die Lage nicht.

Noch eine Weile Geschäfte,
mit fleißigem Kapital:
von Mittelstreckenraketen
redet man laut im Saal.

Das macht nichts. Das ist wie Plastik
im wartenden Totenhaus.
Du bekommst, was du willst, zu hastig
und steigst vorm Orgasmus aus.

ca. 1980

aus: Karl Krolow: Herbstsonett mit Hegel, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1981

 

Konnotation

Der Dichter Karl Krolow (1915–1999) war ein ungeheuer produktiver Autor. In den 50 Jahren seines Schreibens ließ er sich nie auf eine lyrische Tonart festlegen, sondern experimentierte mit den unterschiedlichsten Sageweisen und Formmustern.
Krolow begann mit Gedichten, die eine intime Nähe zum spanischen Surrealismus suchten, exponierte sich dann als Vertreter einer prosanahen, „offenen“ Dichtung, bevor er sich in seinem frivol-ironischen Alterswerk den klassischen Formen Sonett, Terzine, Sestine und Rondel zuwandte. Den großen Daseinsfragen begegnet Krolow dabei mit lässiger Beiläufigkeit und trockener Ironie. In seinem kalauerfreundlichen „Chanson“, das erstmals 1981 publiziert wurde, karikiert er in ätzendem Sarkasmus die politischen Tagesgeschäfte. Der verächtlichen Geste gegenüber dem Politischen sind die zentralen Motive des Alterswerks beigemischt: Eros und Tod.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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