KARL KROLOW
Das Helle, das Leichte
Irgendwo geschieht immer
etwas, das vielen gefällt.
Wozu hat man die Welt?!
Und wär es ein Augenschimmern
oder ein helles Lachen
oder ein schönes Gesicht.
Es sind nicht die todernsten Sachen
mit ihrem Bleigewicht.
Aber das Helle, das Leichte,
das noch seine Schönheit hat.
Man sieht sich an ihr nicht satt,
wie es in den Himmel reichte.
1999
aus: Karl Krolow: Im Diesseits verschwinden. Gedichte aus dem Nachlaß. Hrsg. v. Peter Härtling u. Reiner Weiss. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2002
Die Gedichte seiner letzten Lebensjahre hat der Lyriker Karl Krolow (1915–1999) als Chronik seines allmählichen Verschwindens angelegt. Mit entspannter Beiläufigkeit, meist in elegant geflochteten Kreuzreimen, inventarisiert das lyrische Ich Krolows sein Rest-Leben. Dabei sprechen die Texte des Melancholikers nicht nur von lähmender Todesgewissheit, sondern inszenieren oft ein Gefühl der Leichtigkeit.
Wie in diesem Text vom Januar 1999 sucht Krolows Ich stets eine Balance zwischen lapidarer Vergeblichkeitsgewissheit und lockerem Sinnenglück. Sich nur den „todernsten Sachen / mit ihrem Bleigewicht“ auszuliefern, passte nicht zur Beweglichkeit des Dichters. Seit seinen Anfängen, die noch von der Naturmagie seines Vorbilds Wilhelm Lehmann (vgl. Lyrikkalender 2008 vom 24.4.) profitieren, bevor er mit surrealistischen Techniken und später mit prosanahen Schreibweisen zu experimentieren begann, strebte Krolow nach einer lyrischen Grazie, die auch bei der Thematisierung der letzten Dinge eine intellektuelle Heiterkeit bewahrt.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
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