KARL VALENTIN
Ich bin erst kurz beim Fußballkampf gewesen
Ich bin erst kurz beim Fußballkampf gewesen,
dort war es schön und int’ressant,
den Platz hab ich schon irgendwo gesehen,
die Fußball-Mannschaft hab ich nicht gekannt.
Und als sie Abschied nahmen von den Toren,
das Spiel war aus, sie reichten sich die Hand,
ich hab mein Herz in Heidelberg verloren,
mein Herz, das wohnt am Isarstrand.
nach 1927
aus: Karl Valentin: Sämtliche Werke in neun Bänden. Piper Verlag, München 2007
Die subversivsten Fußball-Gedichte sind diejenigen, die sich gegenüber der Begeisterung für das Spielgeschehen abstinent zeigen. Nicht der Connaisseur ist witzig, der im Gedicht die dürftige Fachsprache der Spezialisten und Fans nachbetet, sondern der listige Saboteur, der die Dramatik des Spiels entzaubert. So wie der Münchner Musikclown und Anarcho-Komiker Karl Valentin (1882–1948).
Hier gibt Valentin kunstvoll den Fußball-Banausen, der sich von den Vorgängen auf dem Spielfeld angeödet zeigt. Die Schlusszeilen verweigern eine Bilanz des „Fußballkampfs“ und zitieren unvermittelt zwei Schlager und Volkslieder, die sich amüsanterweise auch noch gegenseitig widersprechen. Dieses unorthodoxe Fußball-Gedicht ist nach 1927 entstanden, als gerade das Studentenlied vom verlorenen Herz in Heidelberg Karriere machte.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
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