KATHRIN SCHMIDT
im rücken die feuerschutztür,
ihr metallisches flöten beim schließen. Daß
der himmel wie fließpapier zustoßen wird, weißt du
jetzt nicht. wie er dein haus hält,
die streunenden schlüsselkinder –
ich geh in die binsen, ins ried
wie damals als mädchen, als längst
der blitzableiter in meinem Körper verkalkte
und ich das sirren der libelle vom wasser aus
für ein wort meiner mutter hielt.
2000
aus: Kathrin Schmidt: Go-In der Belladonnen. Verlag Kiepcnheuer & Witsch, Köln 2000
Mit ihrer stilistischen Wandlungsfähigkeit und handwerklichen Souveränität steht die Erzählerin und Dichterin Kathrin Schmidt (geb. 1958) in der deutschen Lyrik abseits von allen Gruppen und Netzwerken. Ihren politischen wie ästhetischen Eigensinn belegt auch der thematisch vielseitige Band Go-In der Belladonnen (2000), in dem die Autorin einen locker erzählenden Gestus mit virtuos nuancierten Wortspielen und Erinnerungsfragmenten kombiniert.
Erinnerung und Gegenwart, Natur und Technik, Körper und Maschinenwelt werden hier fugenlos miteinander verbunden. Das Schließen einer Tür ruft Erinnerungen wach an Urszenen der Kindheit. Die Natur war noch magisch, das Sirren der Libelle vom Ruf der Mutter kaum unterscheidbar. Einen Augenblick lang ist da eine Empfindung der Gefahr, das Gefühl, „in die Binsen zu gehen“. Aber alles in diesem Gedicht ist doppeldeutig – und bleibt in der Schwebe.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
Schreibe einen Kommentar