KLABUND
Die Luft ist voll von deinem Duft
Die Luft ist voll von deinem Duft,
O süßer Leib du von Jasmin!
Die Uhr schlägt drei. Am Horizont
Die ersten rosa Wolken ziehn.
Die ersten rosa Wolken ziehn
Am Horizont. Die Uhr schlägt drei.
O süßer Leib du von Jasmin,
Die Luft ist voll von deinem Duft!
1926
„Leicht bewegt, jedem Hauche offen, ist Klabund durch die Welt der Dichtung geflattert.“ So bestaunte Hermann Hesse die literarische Beweglichkeit und formale Leichtigkeit des Dichters, Bänkelsängers und „himmlischen Vaganten“ Klabund (1890–1928), der als Alfred Henschke zur Welt kam und bei seinem frühen Tuberkulose-Tod schon ein unglaubliches Werk von insgesamt 76 Büchern geschaffen hatte.
In seinem 1926 entstandenen Gedicht präsentiert sich Klabund als ein Meister des Rondos. Die vier Verse der ersten Strophe kehren spiegelbildlich in der zweiten Strophe wieder. Der Dichter exponiert sich in seinem Liebespoem nicht mit origineller Metaphorik, sondern collagiert Versatzstücke aus den Trivialmythen der Schlagerwelt. Aber er erfüllt damit jenes Kriterium für lyrische Modernität, das ein weiterer Klabund-Bewunderer, der Dichter Gottfried Benn (1886–1956) verfügt hatte: Moderne Gedichte, so Benn, seien zuvorderst „Schlager von Klasse“.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007
Schreibe einen Kommentar