Klabunds Gedicht „Die Wirtschafterin“

KLABUND

Die Wirtschafterin

Drei Wochen hinter Pfingsten,
Da traf ich einen Mann,
Der nahm mich ohne den geringsten
Einwand als Wirtschafterin an

Ich hab’ ihm die Suppe versalzen
Und auch die Sommerzeit,
Er nannte mich süße Puppe
Und strich mir ums Unterkleid.

Ich hab’ ihm silberne Löffel gestohlen
Und auch Bargeld nebenbei.
Ich heizte ihm statt mit Kohlen
mit leeren Versprechungen ein.

Ich habe ihn angeschissen
So kurz wie lang, so hoch wie breit.
Er hat mich hinausgeschmissen;
Es war eine wundervolle Zeit…

1927

 

Konnotation

Unter dem Pseudonym „Klabund“ verfasste der Apothekersohn Alfred Henschke, der 1928 im Alter von gerade mal 38 Jahren an den Folgen einer chronischen Tuberkulose starb, viele damals erfolgreiche Romane, Theaterstücke und Gedichte. „Klabund“, so will es die Überlieferung, verbindet die beiden Worte „Klabautermann“ und „Vagabund“ zu einem Amalgam. Das schriftstellerische Branding dahinter mag man sich daher als Mischung aus schalkhaftem Humor und derber Satire vorstellen.
Hier wird in kabarettfähigen Knittelversen die Charakterschwäche einer Person zum Aufhänger für ein ironisches, vergleichsweise harmloses Spiel. „Die Wirtschafterin“ dreht das bürgerliche Standesdenken um, der in dem Gedicht an der Nase herumgeführte Mann wird zum Opfer seiner Begierde, hat mit der Wirtschafterin aber kein leichtes Spiel, nutzt sie ihn doch nach Strich und Faden aus.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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