KLABUND
Resignation
Ja, so geht es in der Welt,
Alles fühlt man sich entgleiten,
Jahre, Haare, Liebe, Geld
Und die großen Trunkenheiten.
Ach, bald ist man Doktor juris
Und Assessor und verehlicht,
Und was eine rechte Hur is,
Das verlernt man so allmählicht.
Nüchtern wurde man und schlecht.
Herz, du stumpfer, dumpfer Hammer!
Ist man jetzt einmal bezecht,
Hat man gleich den Katzenjammer.
1913
Die literarische Produktivität des „himmlischen Vaganten“ und bänkelsängerischen „Desperados“ Klabund (1890–1928) war atemberaubend. Der Dichter, Chansonnier und Bänkelsänger, geboren als Alfred Henschke, schrieb seine Werke im erschöpfenden Wettlauf mit dem Tod. Als er im Alter von 38 Jahren der Tuberkulose erlag, hatte er bereits 76 Bücher publiziert, darunter zehn Romane und siebzehn Gedichtbände.
Nachdem bei dem 16jährigen „Schwindsucht“ diagnostiziert worden war, warf er sich bis zur totalen Verausgabung auf seine leichthändig erstellten Gedichte. Im rastlosen Schreiben und der Verbindung zu zahlreichen Geliebten verlor die Todesgewissheit ihre Schrecken. Mit dem Selbstbild des „Harfenjulius“ war der Einstieg in einen seriösen bürgerlichen Beruf nicht vereinbar. Das hätte den Verzicht auf hedonistische Vergnügungen bedeutet. Eine solche „Resignation“, wie er sie in dem Gedicht aus dem Debütband Morgenrot! Klabund! Die Tage dämmern! von 1913 annonciert, hat Klabund stets erfolgreich abgewehrt.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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