Kurt Schwitters’ Gedicht „Schmidt-Lied“

KURT SCHWITTERS

Schmidt-Lied

Und wenn die Welten untergehn,
So bleibt die Welle doch bestehn.
Das Radio erzählt Euch allen,
Was immer Neues vorgefallen.
Und funk ich hier ins Mikrophon,
Hört man im Weltall jeden Ton.
Und bis in die Unendlichkeit,
Erfährt man jede Neuigkeit.
Wir funken bis zum Untergang
Ins Weltall kilometerlang.

1927/28

aus: Kurt Schwitters: Das literarische Werk Bd. I: Lyrik, DuMont Buchverlag, Köln 1973

 

Konnotation

Das „Schmidt-Lied“ des Malers, Bildhauers und Literaturrevolutionärs Kurt Schwitters (1878– 1948) ist ein Nebenprodukt seiner grotesken Oper Der Zusammenstoß, die um 1927/28 entstand. Diese bis heute nie aufgeführte Oper handelt von den Turbulenzen angesichts des bevorstehenden Weltunterganges.
Ein neu entdeckter Himmelskörper rast in dieser schrägen Oper auf die Erde zu und droht mit ihr zusammenzustoßen. Auf dem Potsdamer Platz in Berlin soll der Zusammenstoß stattfinden. Das Radio, das neue Medium der Massenkommunikation, allen voran der „Ansager Schmidt“, nimmt Funk-Kontakt mit dem unbekannten Planeten auf. Die Kunstmittel, die Schwitters in diesem Gedicht einsetzt, sind weit entfernt von den dadaistischen Inventionen seines Frühwerks. In seinem kalauernden Witz steht es den Reimereien eines Ringelnatz näher als den Sprachexerzitien des Avantgardismus.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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