KURT SCHWITTERS
So, so! –
Vier Maurer sassen einst auf einem Dach.
Da sprach der erste: „Ach!“
Der zweite: „Wie ists möglich dann?“
Der dritte: „Dass das Dach halten kann!!!“
Der vierte: „Ist doch kein Träger dran!!!!!!“
Und mit einem Krach
Brach das Dach.
nach 1919
aus: Kurt Schwitters: Das literarische Werk. Bd. 1: Gedichte. DuMont Buchverlag, Köln 1973
Der stets auf überraschende Abweichungen bedachte Universalkünstler, Architekt und Dichter Kurt Schwitters (1887–1948) hat nach 1919 eine Reihe von Gedichten verfasst, die sich von der verbissenen Programmatik des von ihm unterstützten Dadaismus lösen und in der „Merzdichtung“ variationsreiche Formen des Wort- und Laut-Spiels zelebrieren. Neben Formen, in denen Klangspiel und Semantik auseinander treten, erfindet Schwitters auch erzählerische oder volksliedhafte Gedichte, die von ihrer Alogik oder Paradoxie zehren. Die Miniatur zu den „vier Maurern“ lebt von den Flexibilitäten des Vokals „A“ und des „Ach e-Lauts.
Die Sprachwissenschaft verweist hier auf den „stimmlosen velaren Frikativ“ bzw. den „Ach-Laut“, den Schwitters in eine heitere Episode integriert. Seine „vier Maurer“ werden durch die phonemische Trias „Ach-Dach-Krach“ geführt. Daraus resultiert ein Scherzgedicht von schöner, weil bezwingend absurder Logik. Weil ihm ein solider Unterbau fehlt, bricht nicht nur das „Dach“ zusammen. Auch Schwitters Gedicht zieht es vor, zusammenzustürzen, denn eine ernsthafte Botschaft stellt sich nicht ein. Aber dafür hat es reichlich Witz.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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