LUDWIG CHRISTOPH HEINRICH HÖLTY
Ihr Freunde, hänget, wann ich gestorben bin,
Die kleine Harfe hinter dem Altar auf,
aaaWo an der Wand die Totenkränze
aaaaaaManches verstorbenen Mädchens schimmern.
Der Küster zeigt dann freundlich dem Reisenden
Die kleine Harfe, rauscht mit dem roten Band,
aaaDas, in der Harfe festgeschlungen,
aaaaaaUnter den goldenen Saiten flattert.
1774
Mit diesem Gedicht hat der prominenteste Autor des Dichterbunds „Göttinger Hain“, der früh von der Tuberkulose aufgezehrte Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748–1776), sein poetisches Vermächtnis gestiftet. Die Symptome der Krankheit waren schon spürbar, als Hölty am 9. November 1774 auf der Rückseite eines Ausleihscheins der Göttinger Bibliothek sein Gedicht notierte. Nach seinem Tod hat man Hölty seinen Wunsch erfüllt. In der Klosterkirche seiner Geburtsstadt Mariensee hängte man hinter dem Altar eine kleine Harfe auf.
In der Nachfolge seines großen Vorbilds Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803) bedient sich Hölty der antiken Form der alkäischen Ode. Geplagt von der Vorahnung des eigenen Todes, richtet der Dichter einen Appell an seine Freunde, die Erinnerung an sein Werk zu bewahren. Die „kleine Harfe“ fungiert dabei als Symbol des Dichter-Sängers. Die Harfe tönt zwar nicht mehr, aber die Töne des Lyrischen sind bewahrt in den „goldenen Saiten“ des Instruments.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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