Marion Poschmanns Gedicht „wir sind nicht minder im Himmel als jene Sterne“

MARION POSCHMANN

wir sind nicht minder im Himmel als jene Sterne

Augen zu: und die Welt
ausschließen, sage ich
einschließen, sagst du

ist Welt was beschirmt werden muß
behütet und umgebettet
von außen nach innen am Abend

und was in der Nacht
leicht abhanden kommt

es ist ein ungeplanter Diaabend,
sagst du, Sprache, Spuk
und wir Kraftwerke
die ständig Licht erzeugen

es sind Sterne, sage ich, Wertgegenstände
für Leute die selten zuhause sind.

2003/2004

aus: Marion Poschman: Grund zu Schafen. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt a.M. 2004

 

Konnotation

Marion Poschmann, 1969 in Essen geboren, mißtraut in ihren Gedichten der einfachen Wahrnehmung, was zur Folge hat, dass etwa ein Naturgedicht bei ihr nie nur von der sichtbaren Natur handelt und sich nicht darin erschöpft, naturmagische Beschwörung zu sein. Eigenschaften aus der zersiedelten Industrielandschaft treten neben das sogenannte Schöne und konterkarieren es, so dass oft überraschende Bilder entstehen, die Gewohntes in Frage stellen.
Was geschieht mit uns, wenn wir die Augen schließen? Ist das, was wir Welt nennen, dann verschwunden oder umso deutlicher da? Sind wir vielleicht „nicht minder im Himmel als jene Sterne“, die wir in immer geringerer Zahl dort oben ausmachen können, je mehr Licht wir mit unseren „Kraftwerken“, hier unten erzeugen? Poschmann bringt Worte, Wortfelder, zueinander, die sich zunächst abzustoßen scheinen, hier etwa Sterne und Wertgegenstände, damit wir darüber nachdenken, was das eine mit dem anderen dennoch zu tun haben könnte.

Volker Sielaff (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

0:00
0:00