MARTIN WALSER
Unglück schäumt wie Glück. Über Stock
und Stein reitet die Pein. Kein Licht
leuchtet so hell wie Feindseligkeit. Zur Musik
deiner Überflüssigkeit darfst Du tanzen.
nach 1990
aus: Martin Walser: Das geschundene Tier. Neununddreißig Balladen. Zeichnungen von Alissa Walser. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2007
Martin Walsers „Balladen“ sind sehr kurz, ihre erzählerische Mitteilungsfreude ist eher gering. Während er in seinen opulenten Romanen seine barocke Erzähllust und seine Passion für die ausschweifende ironische Suada vorführt, drängt Walser (geb. 1927) in seinen Altersgedichten zur harten Abbreviatur, zum dunklen Epigramm, zur lakonischen Notiz. Gattungsmäßig kann man diese existenziellen vier-, Fünf- und Sechszeiler eher der „Miniatur“ zurechnen.
Die hier vorgenommene Reihung aphoristisch funkelnder Notate, die an einer Stelle mit einem Binnenreim arbeiten, liest sich wie eine kleine Lebensphilosophie des Fatalismus. Denn das Dasein scheint für das Subjekt auf eine Kette von Aussichtslosigkeiten zusammengeschrumpft zu sein. Es triumphieren die universell gewordene „Pein“ und eine bedrohliche „Feindseligkeit“. Das bittere Resümee am Ende der „Ballade“ liefert eine einzigartig negativistische Pointe. Denn wer wird noch in der Lage sein, zur „Musik“ der eigenen „Überflüssigkeit“ ein Tänzchen zu wagen?
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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