MASCHA KALÉKO
Liebe, da capo…
Auf einmal also bist du wieder da,
Und jeder brave Vorsatz ist verloren.
Ich hatte es mir diesmal zugeschworen;
… Und kämst du selbst aus Innerafrika:
Aus und vorbei! – Doch schon ist es zu spät.
Nun sitz ich, wie das heißt, in deinen „Netzen“.
Man sollte meine Seele strafversetzen
In ein Revier, das dir nicht untersteht.
Wußt ich denn nicht, daß es sehr ratsam ist,
Dich mit gut eingeübter Kühle fortzutreiben?
Wie aber soll ich denn vernünftig bleiben,
Wenn du mir leider so sympathisch bist?!
Als wäre nichts geschehn, tauchst du nun auf,
Mein kleines bißchen Ruhe zu zerstören.
Es ist so schwer, das Böse abzuwehren.
– Ich geb es auf
Und weiß: ein Herz, das man schon mal verlor,
Reist nur noch in getragenen Gefühlen.
Und, während wir noch einmal „Liebe“ spielen,
Bereit ich mich zum nächsten Abschied vor.
nach 1930
aus: Mascha Kaléko: Das lyrische Stenogrammheft. Kleines Lesebuch für Große. Rowohlt Verlag, Reinbek 1956
„Ihr Stenogrammheft zeigt, daß Sie alles wissen, was Sterblichen zu wissen gegeben ist.“ So enthusiastisch äußerte sich der Philosoph Martin Heidegger über die Gedichte der jungen Mascha Kaléko (1907–1975). Das Buch der Großstadtpoetin wurde ein Verkaufserfolg, aber nur wenige Monate nach seinem Erscheinen im Jahre 1933 fiel es den nationalsozialistischen Bücherverbrennungen zum Opfer. Die in einem österreichisch-russisch-jüdischen Elternhaus aufgewachsene Dichterin emigrierte 1938 in die Vereinigten Staaten, wo sie bis 1959 blieb. Ihre letzten fünfzehn Lebensjahre verbrachte Kaliko in Israel.
„Liebe, da capo…“ erzählt in umarmenden Reimen von der Unfähigkeit, sich von einer alten Liebe loszusagen. Die Trennung gelingt nicht, obwohl das lyrische Ich doch weiß, dass der Versuch einer Revitalisierung der alten Passion zum Scheitern verurteilt ist. Was bleibt, ist die Vorbereitung auf den „nächsten Abschied“.
Volker Sielaff (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010
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