MICHAEL DONHAUSER
Lass rauschen Lied, lass rauschen
Und hörte leise rauschen, wie
rauscht es durch das Korn, ich
hörte wehen, sagen, es
ist und ist verlorn
Lass sinken, lass und rauschen, ich
acht nicht, wie es geht, würd
Wort und Sinn vertauschen, wo
Veilchen wuchs und Klee
Im Klee hab ich gegeben
hingegeben, was vergeht
was ich hörte rauschen, dem
Herz, ihm tut es weh
Es war als ein Erzittern, ich
hörte es im Wald, und
war dann ein Verzagen, und
klagte, ging so bald
Lass rauschen, lass das Klagen, es
weiss nicht, wie mir wird, da
all die Bächlein rauschen, da
keines sich verirrt
2004/2005
aus: Der Knabe singts im Wunderhorn. Romantik heute. Hrsg. v. Michael Buselmeier. Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2006
Die Tonlage seiner Gedichte hat der 1956 geborene österreichische Lyriker Michael Donhauser einmal als ein „transzendierendes Grübeln“ charakterisiert – ein Grübeln, das die Dinge nicht mystisch entrücken, sondern in ihrer zarten Materialität sichtbar machen will. Das lyrische Ich registriert sehr genau die Naturgegenstände in seiner unmittelbaren Umgebung und versucht, sich im inständigen Schauen der Präsenz der Dinge zu vergewissern.
In einem lyrischen Beitrag zu einer Romantik-Anthologie komponiert Donhauser eine berührende Kontrafaktur zu einem der berühmten Volks- und Kinder-Lieder aus der Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Die Liebesklage des romantischen Vorbilds, deren metrische Struktur er übernimmt, wird vom Autor umgedeutet zu einer emphatischen Feier des Natur-„Rauschens“. Nicht mehr der Verlust des Geliebten steht im Vordergrund, sondern das intensive Tönen der Naturphänomene – aufgerufen wird der romantische Zustand, in dem „Wort und Sinn“ verschmelzen.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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