NIKOLAUS LENAU
Der schwere Abend
Die dunklen Wolken hingen
Herab so bang und schwer,
Wir beide traurig gingen
Im Garten hin und her.
So heiß und stumm, so trübe
Und sternlos war die Nacht,
So ganz wie unsre Liebe
Zu Tränen nur gemacht.
Und als ich mußte scheiden
Und gute Nacht dir bot,
Wünscht ich bekümmert beiden
Im Herzen uns den Tod.
nach 1840
„Mir wird oft so schwer“, schrieb einst der unglückliche Dichter Nikolaus Lenau (1802–1850) an seinen schwäbischen Dichterfreund Justinus Kerner, „als ob ich einen Toten in mir herumtrüge.“ Der Sohn eines spielsüchtigen Offiziers aus dem Banat versuchte seine Schwermut durch eine fast symbiotische Mutterbindung zu lindern. Aber die Melancholien des Dichters waren unheilbar, zumal auch seine Liebeswünsche bei den von ihm verehrten Frauen unerfüllbar blieben.
Besonders seine heillose Leidenschaft für die verheiratete Sophie von Löwenthal, die Lenau 1833 kennenlernte, zermürbte den Dichter. Ihr ist auch das nach 1840 entstandene Gedicht vom „schweren Abend“ gewidmet, das nur leicht verschlüsselt von den Suiziddrohungen spricht, mit denen sich Lenau und seine unerreichbare Geliebte zugesetzt hatten. Nach einem Schlaganfall 1844 verfiel Lenau dem Wahnsinn und dämmerte bis zu seinem Tod in einer Heilanstalt bei Stuttgart dahin.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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