OSKAR PASTIOR
grübchen
reib dich am hymen – eisbeutel!
andre musen sich am riesen reimen
bist gemüse du, reisig, oder was weiß man
limes – drüsen die dich mühsam beißen
schäumen brosam – du mußt reis essen
oder am trüben schi-menschen freisen mimen:
treib es bauch und bleich am leibesschema
wenn du muskat reibst an kiemen
blei dich am rübenmeister, kühler
schmeiß grübchen und
wenn du verreisen mußt
reib dich am hymen!
1988
aus: Oskar Pastior: Das Hören des Genitivs. Carl Hanser Verlag, München 1997
Mit den poetischen Verzauberungsstrategien, die Oskar Pastior (1927–2006), der siebenbürgische Sprachenregisseur und Wortkünstler, im Lauf seines Dichterlebens erdacht und erprobt hat, kann man ohne weiteres eine komplette Formengeschichte des modernen Gedichts schreiben. Seine Biografie schien dieser im rumänischen Hermannstadt geborene Mann aus Wörtern in eine eigene poetische Grammatik aus Sprach- und Form-Erfindungen transformiert zu haben.
Pastiors Domäne ist in diesem erstmals 1988 publizierten Gedicht die anagrammatische Vertauschung von Redensarten und imperativischen Gesten. Was als fast obszöner Imperativ beginnt, landet rasch auf dem Terrain des Heiter-Burlesken: „Andere müssen sich am Riemen reißen“ mutiert zu „andre musen sich am riesen reimen“ – und aus virtuoser Spracherforschung erwächst neuer poetischer Stoff.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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