OTTO JULIUS BIERBAUM
Ach so!
Wohin denn, wohin denn so schnelle,
Du Mann mit der Elle?
Siehst nicht den schönen Regenbogen?
Frivoler Geselle!
Den eben will ich messen gehn.
Wär mir eine Art, so dazustehn
Und bloß die Farben anzusehn.
Ich bin gründlich!
um 1900
Als gut gelaunter Schlagertexter, Chansonnier und außergewöhnlich leichthändig formulierender Schriftsteller hat Otto Julius Bierbaum (1865–1910) um die (vorletzte) Jahrhundertwende sein Publikum fasziniert. Der Virtuose der galanten Gelegenheitsdichtung, der als einer der ersten Schriftsteller seiner Zeit die Reize der Autoreise pries, hat sich nie in die zentralen Kapitel der Literaturgeschichte einschreiben können. Gleichwohl haben seine locker-tänzelnden Verse bis heute ihren Schwung bewahrt.
Die Leichtigkeit seiner Reime und die Vielfalt seiner Stoffe haben dem Gelegenheitsdichter Bierbaum, der auch gerne als „Martin Möbius“ auftrat, um 1900 zu enormer Popularität verholfen. Und solche Kabinettstücke wie das vom exakt zu vermessenden Regenbogen hat die komische Dichtkunst bis heute kaum zu bieten. Als Bierbaum mit 44 Jahren starb, urteilte Thomas Mann: „Es könnte sein, dass manch sangbares Lied seines Mundes noch lebt, wenn vieles, was heute gewichtiger dünkt, vergessen ist.“ Darin hat Thomas Mann geirrt.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009
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