PAUL CELAN
Abzählreime
Ich bin groß, du bist das Küken,
Hihihimmel, sollst dich bücken,
Muß mir meine Schputnicks pflücken.
Erst der gelbe,
Dann derselbe,
Dann der schwarze
Mit der Warze.
Außerdem frißt uns die Katze.
Außerdem und Innerdem,
Polikarp und Polyphem,
Russruss, Landam, Erika
Und der ganze Laden da –
Wozu – Weil – Jaweilwozu
Hättenhätten wirdennruh.
1964
aus: Paul Celan: Die Gedichte aus dem Nachlaß, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1997
Von Paul Celan (1920–1970), dem sprachempfindlichsten Dichter des 20. Jahrhunderts, kennt man fast nur Gedichte, in die sich das Menschheitsverbrechen des Holocaust in der einen oder anderen Weise eingeschrieben hat. In seinem Nachlass finden sich aber auch lockere, buchstaben-balancierende, sprachspielerische Verse, die aus Lust am Gleichklang und an heiterer Wortkombinatorik entstanden sind.
Mit diesem Gedicht hatte Celan 1964 auf die Einladung zur Mitwirkung an der von Günter Bruno Fuchs herausgegebenen Anthologie Die Meisengeige – Zeitgenössische Nonsensgedichte reagiert. Es ist verblüffend zu sehen, wie Celan hier Techniken anwendet vor allem die assoziative und anagrammatische Sprachmotorik –, die Oskar Pastior, sein rumäniendeutscher Dichterkollege aus Siebenbürgen, zwanzig Jahre später zur Vollkommenheit entwickelt hat.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006
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