PAUL SCHEERBART
Ich hab ein Auge, das ist blau.
Mir gestern Abend geschlagen.
Ich schrie fünfhundertmal ,Au! Au!‘
Was wollt ich damit sagen?
Ich weiß es heute selber nicht;
Ich hab ein Heldenangesicht.
1909
Der literarische Exzentriker Paul Scheerbart (1863–1915), ein Schöpfer fantastischer Weltentwürfe, der nicht nur das Perpetuum mobile, sondern auch einen „Weltallpalast“ konstruieren wollte, verfügte nicht nur über eine reiche utopische Phantasie, sondern auch über eine Menge Galgenhumor. Der bizarre Visionär war nebenbei auch noch ein Meister der trinkfreudigen Geselligkeit. Von den Folgen dieser Geselligkeit berichten einige Gedichte aus seiner Katerpoesie (1909).
Während die literarischen Bewegungen der Jahrhundertwende wie auch die Propheten des Expressionismus das Pathos als vorherrschende Tonlage entdeckten, zog es Scheerbart vor, in seinen vitalistischen Poemen nichts und niemanden ernst zu nehmen. Am allerwenigsten sich selbst. Den frühen Tod Scheerbarts führte sein Freund, der Anarcho-Revolutionär Erich Mühsam (1878–1934) auf überproportionalen Alkoholkonsum zurück.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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